Blutige Vergeltung an unschuldigen Zivilist*innen

Militärische Angriffe auf zivile Infrastrukturen verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht. Trotzdem erklärte die Türkei sie am Dienstag öffentlich zu legitimen Zielen in Nordostsyrien. Und zögerte nicht, sie zu bombardieren.

Bei einem Selbstmordattentat vor dem türkischen Innenministerium in Ankara am vergangenen Sonntag wurden zwei Polizisten verletzt. Als Urheberin bekannte sich kurz darauf die PKK. Der türkischen Regierung kam das sehr gelegen. Seit jeher verklärt sie ihre völkerrechtswidrigen Angriffskriege gegen den Nordosten Syriens als Verteidigung gegen Terrorismus und die YPG, den syrischen Ableger der PKK.

Als direkte Reaktion auf den Anschlag zündete der türkische Außenminister Hakan Fidan zwei Tage später eine neue Eskalationsstufe im Angriffskrieg: In einer Pressekonferenz erklärte er, dass ab sofort auch die dortige Infrastruktur und Energieversorgung legitime Ziele seien und gab den Startschuss zum Angriff. Viele tote Zivilist*innen, Einschläge unmittelbar neben Flüchtlingscamps, Krankenhäuser ohne Strom und zerstörte Warenlager sind die erschreckende Folge nach nur zwei Tagen. Die Angst in der Bevölkerung ist groß, denn klar ist: Es kann jetzt jede*n treffen.

Wir haben mit unserem Partner Diyar vom PÊL Civil Waves Zentrum über die derzeitigen Angriffe gesprochen:

„Der Angriffskrieg läuft seit einem Jahr, aber in unterschiedlicher Intensität. Wir beobachten die türkische Presse und haben schon gespürt, dass es immer bedrohlicher wird. Die Stimmung in der Türkei ist sehr aufgeheizt und jetzt gerade eskaliert es. Seit zwei Tagen werden Dutzende Ziele bombardiert und es gibt keine Verschnaufpause.  

Alle Angriffe richten sich auf unsere Infrastruktur hier in Nordostsyrien. In Hassaka wurde ein Elektrizitätswerk, das den Großteil der Region Hassaka versorgt, bombardiert. In Qamishli zielten sie auf die Verteilerstationen des Stromnetzes, über die nicht nur die Stadt, sondern auch das Umland mit Strom versorgt werden. An verschiedenen Orten, darunter auch Hassaka wurden die Dämme bombardiert. In Tirbespi (al-Qahtaniyya) wurden die Ölanlagen unter Beschuss genommen, dabei sind zahlreiche Menschen getötet worden. Das waren einfache Arbeiter*innen, die morgens zur Arbeit gingen und jetzt tot sind. Und das sind nicht die einzigen.

Es kommen bei den türkischen Bombardierungen gerade sehr viele Zivilist*innen ums Leben.

Das ist eiskaltes Kalkül, denn es werden ja gezielt keine militärischen Ziele, sondern zivile Infrastruktur angegriffen. Dort, wo Menschen wie du und ich täglich zur Arbeit gehen. Natürlich beklagen wir alle Opfer, auch jene, die im Militärdienst stehen. Es sollten keine Menschen sterben müssen wegen eines sinnlosen Angriffskrieges gegen uns. Aber zivile Opfer gehen uns nochmal näher.

Die Situation ist sehr beängstigend und es ist schwer damit umzugehen. Gestern mussten wir eine Austauschrunde über die Situation von Menschen mit Behinderungen abbrechen, weil das Donnern der türkischen Bombardierungen um Qamishli herum nicht mehr abriss und immer näherkam. Das ganze Team war vor Ort und musste sich selbst und die Teilnehmenden in Sicherheit bringen. Wir müssen jetzt überlegen, ob wir aus Sicherheitsgründen solche größeren Treffen und Veranstaltungen überhaupt noch durchführen können oder vorerst absagen. Das Risiko, das etwas passiert, ist zu groß. Unsere Situation ist also schwierig und es geht uns nicht gut, aber das trifft auf alle Menschen hier zu. Deshalb müssen wir stark bleiben.

Wir wünschen uns, dass dieser Krieg gegen uns in Deutschland thematisiert wird!

Wir möchten nicht vergessen werden, wir möchten nicht alleingelassen werden. Wir wünschen uns Sichtbarkeit und Unterstützung in den Medien und bei Social Media.“


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