PM: Giftgaseinsatz in Syrien bestätigt durch Partner deutscher Hilfsorganisation

Angehörige langjähriger Projektpartner unter den Opfern des Giftgas-Angriffs / Aus Deutschland unterstützte Journalisten filmen Tatort / Aufklärung der Täterschaft nur durch unabhängige Kommission, sofortige Beweisaufnahme nötig / Einmaliger Militärschlag kann nicht zu Gerechtigkeit in Syrien beitragen / Bundesregierung muss umgehend zivile Maßnahmen ergreifen.

Berlin, 12. April. Nach dem tödlichen Giftgas-Angriff am Abend des vergangenen Samstags auf die Stadt Douma in Ost-Ghouta liegen konkrete Zeugenaussagen zu den Hergängen vor. Aufgrund des anhaltenden Bombardements sowie der unmittelbar auf den Angriff folgenden Zwangsevakuierung der Zivilbevölkerung aus Douma gestaltete sich die Aufarbeitung zunächst schwierig. Inzwischen konnte der Angriff rekonstruiert und der Einsatz von chemischen Substanzen bestätigt werden.

Die Angaben von Augenzeugen, mit denen die Hilfsorganisation Adopt a Revolution gesprochen hat, decken sich mit Berichten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), von Menschenrechtsbeobachtern in Syrien, sowie zahlreichen Fotos und Videos vom Tag des Angriffs. Unter den Giftgas-Opfern befinden sich Angehörige langjähriger Projektpartner. Von Adopt a Revolution unterstützte Bürgerjournalisten dokumentierten mit Fotos und Videomaterial den Ort des Angriffs und bestätigen eindeutig den Einsatz chemischer Substanzen. Eine Darstellung der Zeugenaussagen und weiterer Indizien finden Sie hier (PDF).

„Wir können nicht sagen, wer das Giftgas eingesetzt hat oder um welchen Kampfstoff es sich handelt. Aber daran, dass am Samstag Abend zahlreiche Menschen in Douma von einer chemischen Substanz vergiftet wurden und viele von ihnen gestorben sind, kann kein Zweifel bestehen“, so Elias Perabo, Geschäftsführer von Adopt a Revolution. Die deutsche Hilfsorganisation sprach in den vergangenen Tagen mit zahlreichen Ärzten und Sanitätern, Bewohnern der Straße, in der das Giftgas eingesetzt wurde, sowie mit Angehörigen und Nachbarn von Opfern. Mitarbeiter der Organisation haben langjährige Projektpartner vor Ort interviewt und stehen mit Überlebenden in direktem Kontakt. (Auf Anfrage können wir gerne Quellenmaterial zur Verfügung stellen.)

„So wichtig es ist, dass ein Einsatz von Giftgas für die Täter Konsequenzen haben muss: Ein Militärschlag, wie die USA, Frankreich und Großbritannien ihn derzeit offenbar planen, ist der falsche Weg“, so Perabo weiter. Die Erfahrung mit dem Angriff mit Marschflugkörpern auf den Militärflughafen al-Shayrat nach dem letzten großen Giftgaseinsatz vor rund einem Jahr in Syrien auf Khan Sheikhun habe gezeigt, dass ein einmaliger Militärschlag weder zur Aufklärung beträgt noch künftige Giftgaseinsätze in Syrien verhindert. Anstatt eine sinnlose militärische Eskalation zu befeuern, sollten die Bundesregierung und ihre westlichen Verbündeten unmittelbar politische Initiativen ergreifen, die ein eindeutiges Signal senden: Der Einsatz von Giftgas kann in keiner Form toleriert werden, die Täter werden nicht nur verbal, sondern auch praktisch juristisch zur Verantwortung gezogen.

Darüber hinaus müssen EU und Bundesregierung endlich Russland gegenüber unmissverständlich klar machen, dass eine weitere Deckung der Täter von Giftgaseinsätzen und die Blockade einer unabhängigen Aufklärung im Weltsicherheitsrat nicht geduldet wird.

Folgende Maßnahme könnte die Bundesregierung unmittelbar beschließen:

  • Aufgrund des Weltrechtsprinzips können in Syrien begangene Kriegsverbrechen vor deutschen Gerichten verhandelt werden. Da eine Verfolgung der Verbrechen des Assad-Regimes vor internationalen Gremien, etwa dem Internationalen Strafgerichtshof, derzeit an russischen Vetos im UN-Sicherheitsrat scheitert, muss die Bundesregierung das Personal des Völkerstraftrechtsreferats bei der Bundesstaatsanwaltschaft deutlich aufstocken.
  • Die Bundesregierung muss die fehlenden Mittel für die unabhängige UN-Untersuchung von Kriegsverbrechen in Syrien zur Verfügung stellen. Bereits im Dezember 2016 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Internationalen, Unparteiischen und Unabhängigen Mechanismus (International, Impartial and Independent Mechanism – IIIM) zur Untersuchung von Kriegsverbrechen in Syrien eingerichtet. Dem Gremium sollten auch geheimdienstliche Informationen zur Verfügung gestellt werden. Das Budget der UN-Ermittler ist jedoch nicht vollständig gedeckt (Vgl. Crowd4Justice).
  • Der Bundestag muss mit einem klaren Beschluss jegliche Normalisierung der Beziehungen mit dem Assad-Regime ausschließen, solange die politisch Verantwortlichen für diese Kriegsverbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Das Aussetzen der Zusammenarbeit muss jede diplomatische und geheimdienstliche Kooperation beinhalten, um nicht mit den Tätern solcher Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemeinsame Sache zu machen.
  • Jede finanzielle Unterstützung beim Wiederaufbau in Syrien, ob aus Mitteln der Bundesrepublik oder der Europäischen Union, muss an einen vorherigen glaubhaften politischen Übergang und eine Bestrafung der Verantwortlichen von Kriegsverbrechen geknüpft werden. Dafür muss sich die Bundesregierung bei der anstehenden Syrien-Konferenz am 24. und 25. April in Brüssel einsetzen.

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Adopt a Revolution unterstützt seit Anfang 2012 die Arbeit der jungen syrischen Zivilgesellschaft und vermittelt hierzulande Informationen aus der syrischen Demokratiebewegung. Unter www.adoptrevolution.org stellt die Initiative aktuelle Entwicklungen aus der syrischen Zivilgesellschaft dar. Zivile Initiativen in Syrien hat Adopt a Revolution bisher mit über eine Millionen Euro finanziell unterstützt.