Zivilretter der White Helmets befreien ein Kind aus den Trümmern nach einem Luftangriff in Idlib. Foto: @SyriaCivilDef

Was passiert gerade in Idlib? Eine Momentaufnahme

Auch wenn hier kaum darüber berichtet wird: Im Süden Idlibs bombardieren das Assad-Regime und Russland aktuell massiv die Zivilbevölkerung, in wenigen Tagen starben über Hundert Zivilist*innen. Am Boden gibt es heftige Kämpfe, Tausende sind auf der Flucht, an der türkischen Grenze eskalierten heute Proteste.

Zivilretter der White Helmets befreien ein Kind aus den Trümmern nach einem Luftangriff in Idlib. Foto: @SyriaCivilDef

Das Syrian Observatory for Human Rights zählte bereits vorgestern 1115 Luft- und Raketenangriffe, die 33 Zivilist*innen töteten, die Hälfte Frauen und Kindern. Mittlerweile sind es bereits mehr. Die syrischen Zivilverteidigungskräfte (White Helmets) zählten vom 15. bis 18. Dezember 113 zivile Todesopfer.

Jeden Tag, ja fast stündlich erscheinen neue Videos, die das Grauen von unter den Trümmern begrabenen Menschen dokumentieren. Wer auf die russischen Desinformationskampagnen hereinfällt und meint, diese Videos seien alle “gefaked”, dem sei versichert: Wir als Beobachter, vor allem aber alle Angehörigen der Opfer und Ersthelfer, wünschten nichts mehr auf der Welt, als dass das “Fakes” wären.

Die Retter der White Helmets sind oft “double tap”-Angriffen ausgesetzt, d.h. auf einen ersten Luftangriff folgt kurz darauf am selben Ort ein zweiter, der den Rettern gilt. Diese Menschen retten trotzdem weiter. Erst vor Kurzem eilte einer von ihnen zu einem Einschlagsort in Bdama, der sich als sein eigenes Haus entpuppte. Seine Frau und seine drei kleinen Töchter konnten nur noch tot geborgen werden.

Neue Massenflucht zur Grenze

Tausende Menschen sind in den letzten Tagen aus der Region geflohen, es könnten mehrere Zehntausend sein.

Die Menschen ahnen, dass sie nicht zurückkehren werden und nehmen alles mit, was sie irgendwie mitnehmen können.

Auch unsere Freundinnen von Women Now haben sich zur Flucht aus Maraat al Numan entschieden.

In Idlib Stadt sind unsere Partner*innen damit beschäftigt, sich um die neu ankommenden Binnenflüchtlinge zu kümmern. Viele schlafen im Freien. In den Häusern, die ihre Türen für Flüchtende öffnen, ist kein Platz mehr.

Während die Not der Vertriebenen in der Region immer größer wird, haben Russland und China im UN-Sicherheitsrat mit einem Veto humanitäre Hilfslieferungen nach Nordsyrien verhindert. Russlands Argument: Die Situation habe sich schließlich verbessert.

Wir sammeln hier Spenden für humanitäre Hilfsaktionen unserer Partnerinitiativen in Idlib und im Nordosten:

Am verzweifelsten ist die Lage derer, denen die Mittel zur Flucht fehlen.

Wer jetzt nach Maraat al Numan fährt, um Menschen zu evakuieren, riskiert sein Leben. Es gibt Menschen, die tun das trotzdem.

»Öffnet die Grenze oder stoppt das Töten«

Hunderte Menschen bewegten sich gestern zur türkisch-syrischen Grenzübergang Bab al Hawa und forderten die Türkei auf, die Grenze zu öffenen oder die Menschen in Idlib zu schützen. Die Türkei ist laut Astana-Vereinbarungen Sicherheitsgarant für die “Deeskalationszone” Idlib. Die Demonstrierenden an der Grenze wurden von der HTS-Miliz mit Tränengas und Schüssen von der Grenze ferngehalten.

Zum wiederholten Mal protestieren Menschen aus Idlib an der türkischen Grenze und verlangen Schutz oder offene Fluchtwege.

Eine Person, die bei Jandaris ein Türkei-kritisches Grafitti an die Grenzmauer sprühte, wurde offenbar von der Miliz Failaq Al Sham festgenommen und an den türkischen Geheimdienst übergeben.

»Wir verlangen vom türkischen Garanteur die Übernahme der Verantwortung für Idlib«

In Idlib-Stadt gingen zahlreiche Menschen auf die Straße und protestierten gegen die Angriffe des Regimes und der russischen Armee.

Und hier?

Bis zur Stunde gibt es in deutschsprachigen Medien kaum Medienberichterstattung zur Situation in #Idlib. Nach Homs, Ost-Aleppo, Ost-Ghouta, Dar’a und ähnlichen Offensiven ist das vom Assad-Regime und Russland verantwortete Grauen keine Nachricht mehr. Es ist schlicht immer dasselbe, und niemand hält es auf.