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Noch immer gelten mehr als hunderttausend Menschen in Syrien als vermisst – ihre Familien wissen nicht, was mit ihnen geschehen ist. Die Aufklärung der Schicksale als auch der Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen ist entscheidend, um Gerechtigkeit zu ermöglichen.
Doch genau diese Wahrheit ist in Gefahr, verloren zu gehen. Wichtige Dokumente wurden weder gesichert noch geschützt – etwa als die Gefängnisse geöffnet wurden. Listen verschwanden, persönliche Unterlagen der Opfer gingen verloren, Aufzeichnungen wurden entwendet. Aus dem Saydnaya-Gefängnis wurde sogar eine Überwachungskamera mitsamt ihrer Aufnahmen gestohlen. Spuren, die den Angehörigen Antworten liefern könnten, wurden dem Verfall oder Diebstahl überlassen.
„Viele dieser Akten sind inzwischen verschollen, dabei könnten sie entscheidendes Beweismaterial für zukünftige Gerichtsverfahren sein.“
– Suleiman Issa, Human Rights Guardians
Doch nicht nur Dokumente, auch Erinnerungsorte werden wahrscheinlich sogar gezielt ausgelöscht: In der Küstenstadt Latakia übermalte eine Gruppe Freiwilliger Wände eines Gefängnisses. Was als Aktion für eine bessere Zukunft dargestellt wurde, zerstörte in Wirklichkeit wichtige Spuren von Menschenrechtsverletzungen. Dazu gehören Graffiti und Nachrichten von Insass*innen, die diese u. a. mit Fingernägeln einritzten.
„Solche Orte müssen als lebendige Mahnmale erhalten bleiben – als Symbole des Widerstands und als Quellen von Zeugenaussagen, die die Täter belasten. Viele Opfer können nicht mehr sprechen, aber diese Orte tun es für sie. Ihre Zerstörung verwischt Spuren und schützt die Täter vor Strafverfolgung. Aber ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden.“
– Suleiman Issa, Human Rights Guardians
Viele freiwillige Gruppen, Medienplattformen und Facebook-Seiten haben das Thema der Inhaftierten für Sensationsmeldungen missbraucht, indem sie unbelegte Gerüchte verbreiteten – etwa über geheime unterirdische Verliese im Saydnaya-Gefängnis oder Gefangene, die dort ohne Luftzufuhr sterben würden. Diese Panikmache führte nicht nur zur Zerstörung wichtiger Beweismittel, sondern lenkte auch von der tatsächlichen Aufklärungsarbeit ab.
„Ein offizielles Gremium des Justizministeriums hätte längst dafür sorgen müssen, dass diese Beweismittel geschützt werden. Denn während die Angehörigen der Vermissten verzweifelt nach Hinweisen, Namen oder persönlichen Gegenständen suchen, sterben sie innerlich tausend Tode, im Wissen, dass jede Spur zu ihren verschwundenen Angehörigen verlorengehen könnte.“
– Suleiman Issa, Human Rights Guardians
Ein weiteres Problem: Viele Organisationen, die sich professionell dieser mühsamen Aufgabe widmen, müssen derzeit ihre Arbeit einstellen oder einschränken, weil die USA, die weltweit wichtigste Geberhand, ihre Auslandshilfen eingefroren hat.
Unsere Partner*innen von Human Rights Guardians und Syrians for Truth & Justice kämpfen seit Jahren dafür, dass die unzähligen schweren Menschenrechtsverbrechen nicht ungesühnt bleiben. Die Teams aus Ermittler*innen und Jurist*inne dokumentieren Fälle, sammeln Beweise, sprechen mit Zeug*innen und rekonstruieren Fälle so genau wie möglich. Anschließend leiten sie ihre Erkenntnisse an die UN weiter. Bereits 350 Fälle wurden an die UN-Arbeitsgruppe für gewaltsames Verschwindenlassen übergeben, die selbst bis heute keine Arbeitsgenehmigung in Syrien erhalten hat.
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Zudem arbeiten sie mit anderen relevanten Organisationen zusammen, um die Übergangsjustiz voranzubringen. Am 17. Februar organisieren sie eine nationale Justizkonferenz, bei der die Stimmen der Opfer im Mittelpunkt stehen. Ihre Forderungen und Anliegen werden anschließend dem Justizministerium übergeben.
Damit unsere Partner*innen ihre wichtige Aufklärungsarbeit nicht nur weiter betreiben, sondern auch ausweiten können, sind sie dringend auf finanzielle Hilfe angewiesen. Jede Spende hilft, die Wahrheit ans Licht zu bringen, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und den Angehörigen der Verschwundenen Hoffnung zu geben.
Geben Sie den Opfern eine Stimme.