Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths hatte im Februar angesichts der massiven Verzögerung bei der Erdbebenhilfe im Nordwesten Syriens eingeräumt, die Menschen dort im Stich gelassen zu haben. Er versprach Besserung, aber die blieb aus. Zwar trafen dort nach einer Weile wieder Lieferungen ein, allerdings deckten diese bei weitem nicht den Bedarf. Am 10. Juli stoppten sie erneut. Da war der Grenzübergang Bab al-Hawa, über den die UN Lieferungen aus der Türkei in die Region gebracht hat, wieder geschlossen. Der Grund: Die UN-Resolution 2165 lief an diesem Tag aus und damit das UN-Mandat für grenzüberschreitende Hilfe. Der UN-Sicherheitsrat konnte sich auf keine Fortführung einigen. Eine Verlängerung um zwölf bzw. neun Monate verhinderte Russland mit seinem Veto. Dessen Gegenvorschlag mit einer Verlängerung um sechs Monate kam ebenfalls nicht durch. Aus gutem Grund: Die Wintermonate, die besonders hart zum Überleben sind, wären damit nicht abgedeckt; vernünftige Planungen für Hilfsorganisationen wären unmöglich.
Einen Monat später sind Bab al-Hawa und zwei andere Grenzübergänge wieder offen. Das liegt aber keinesfalls an einer Einigung im UN-Sicherheitsrat, sondern an einem Abkommen mit dem Assad-Regime. Dieses hat nach direkten Verhandlungen mit dem UN-Nothilfekoordinator Griffiths eine Sondergenehmigung erteilt – für eine Dauer von sechs Monaten.
Die UN hilft Assad mehr als der Bevölkerung
Kurzfristig mag das eine Verbesserung der Situation für einige Menschen in Nordwestsyrien sein, die nach einem langen Monat endlich wieder überlebenswichtige humanitäre Hilfe geliefert bekommen. Ein echter Grund zur Freude ist das aber nicht. Denn langfristig ist dieser Deal eine Katastrophe und die syrische Zivilbevölkerung wird einmal mehr im Stich gelassen.
Denn ihr Leid hilft der Normalisierung des Assad-Regimes. Und das wissen auch die Vereinten Nationen, aber sie spielen mit. So verhandelte UN-Nothilfekoordinator Griffiths direkt mit dem Regime über die Hilfslieferungen und trägt somit die Verantwortung dafür, dass Assad dank dieser Einigung nun die Kontrolle über alle Grenzübergänge zurückerlangt hat. Auf der Haben-Seite stehen dafür „nur“ sechs weitere Monate, die einen Monat zuvor im UN-Sicherheitsrat noch mit guter Begründung abgelehnt worden waren. Jetzt sind die Hilfsorganisationen nicht nur mit Planungsunsicherheit und einem großen Fragezeichen für die besonders harten Wintermonate konfrontiert. Gleichzeitig steht die Vereinbarung auf sehr wackligen Beinen, denn Assad kann jederzeit willkürlich seine Zusage widerrufen. Ein weiteres rechtliches Sicherheitsnetz gibt es ohne Einigung im UN-Sicherheitsrat nicht. Die humanitäre Hilfe hängt also von Assads Gnaden ab. Jenem Diktator, der für die große humanitäre Not in Nordwest-Syrien verantwortlich ist und täglich zivile Ziele in der Region bombardiert. Die UN überlässt damit die Menschen in Syrien ein weiteres Mal ihrem Schicksal.